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Nummer 349 vom 11. Mai 2024

Kant-Modelling: Immanuel Kant ins VAKOG übersetzt (Nr. 349)

Ein Grantler in Gesellschaft


Im Erlebniswochenende geht es darum, wie zwei Menschen sich verstehen können, wenn sie dieselbe Sache ganz unterschiedlich sehen. Am ersten Tag legen wir dafür die Grundlagen und üben, einerseits (nur) sich selbst zu verstehen und andererseits (nur) einen anderen Menschen. Das beides ist schon schwer genug! Das Letztere üben wir jetzt – an Immanuel Kant.

Bei Kant kannst Du davon ausgehen, daß er sich was gedacht hat. Aber Kant machts einem nicht leicht, von seinen Worten auf sein Erleben zu schließen. Worte, wenn sie Sinn haben, bilden inneres VAKOG ab. Deswegen mußt Du, wenn Du einen Text verstehen willst, aus den Worten wieder VAKOG machen.

Wenn Du etwas erlebst, innerlich oder äußerlich, dann passiert da ganz viel gleichzeitig. Wenn Du das in Sprache abbildest, dann braucht es eine Reihenfolge. Wenn einer wie Kant seine innere hochkomplexe Gleichzeitigkeit in Sprache abbilden will, dann kommen da eben erstaunlich verknotete und verschachtelte Sätze heraus. Die müssen wir entknoten und entschachteln! Das machen wir Stück für Stück … und lassen aus den Kantschen Worten pralles VAKOG entstehen:

»Der Mensch hat eine Neigung sich zu vergesellschaften: weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d.i. die Entwicklung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen Hang sich zu vereinzelnen (isolieren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist.«

Der Reihe nach!

»Der Mensch hat eine Neigung sich zu vergesellschaften: …« – Zuerst brauchen wir einen Hauptdarsteller, einen Menschen. Innerlich sehe ich da Immanuel Kant im bunten Rock mit Spazierstock und keckem Hut! Der ist inmitten anderer Menschen und fühlt sich da sichtlich wohl. Das ist seine Neigung: in Gesellschaft zu sein.

» … weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d.i. die Entwicklung seiner Naturanlagen, fühlt.« – Ah! Deswegen sucht er also die anderen Menschen: da ist er Mensch, da darf er sein! Und im Einschub bringt Kant einen echten Knüller: Menschsein heißt für ihn, zu entwickeln, was die Natur in ihm angelegt hat. War Kant ein früher NLPler? Er will also sein Potential entwickeln, weil ihn das zum Menschen macht und er kann dieses Potential besser in Gegenwart anderer entwickeln. Da sehen wir ihn stehen, angeregt plaudernd, glücklich und strahlend …!

»Er hat aber auch einen großen Hang sich zu vereinzelnen (isolieren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist.« – Teilearbeit konnte er also auch, der Herr Kant! Zwei Seelen fühlt er in seiner Brust! Die eine Seite ziehts zu anderen, um sich zu entfalten – die anderer Seite will einfach ihre Ruhe. In einem zweiten Bild sehe ich deswegen den Herrn Kant in seinem Zimmer (jetzt privater gekleidet), wie er alles nach seinem Sinne gerichtet hat, damit sehr zufrieden ist und vielleicht gemütlich eine Pfeife raucht. Wenn da andere Menschen kommen, dann ist er genervt, fühlt sich gestört und spürt in sich deutlichen Widerstand. Und weil er ein empathischer Mensch ist, geht er davon aus, daß es anderen ähnlich geht. Bei denen ist dann er der Störenfried! Deswegen erwartet er von anderen denselben Widerstand, mit dem er den anderen begegnet. Grantler aller Länder, vereinzelt euch!

Im nächsten Satz bringt Kant diese beiden Seiten seiner Persönlichkeit zusammen und schreibt einen saftig-prallen VAKOG-Satz: »Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann.«

Fängt es an, Spaß zu machen? Zugegeben, das waren die einfacheren Sätze und simpleren Gedanken aus dem Hause Kant. Wenn Du neugierig bist, wie es weitergeht, dann findest Du die Fortsetzung im ›Vierten Satz‹ des Textes ›Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht‹. Nächste Woche schauen wir uns noch einen etwas verzwickteren Gedanken an. Bis dahin:

Liebe Grüße
Ralf
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